Tage bei Freunden – eine Reise zu Borgoluce nach Venezien

Schon lange geplant, immer wieder verschoben und dann doch mit tatkräftiger Unterstützung von Frau van Kesteren von smartwines in die Tat umgesetzt, unsere Verkostungsreise nach Venezien und in die Toscana.
Eine Woche vor Start, schien uns das Wetter eine Herausforderung zu werden, 7 Tage Regen auf der App, na toll, hoffentlich haben die Italiener viel Verständnis für einen durchweichten Labrador.
Doch es kam zum Glück ganz anders, Regen fiel aus und wir hatten fast durchgängig goldene Herbsttage bei über 20 Grad.
Erstes Ziel unserer Reise, Susegana unweit von Venedig mitten im Kerngebiet des Proseccoanbaugebietes, der Wiege des Glera. Wir haben schon geraume Zeit den Rive di Collalto und seine beiden Geschwister, den Brut und Extra Dry Valdobbiadene verprobt und für so überragend befunden, so das wir die drei Prosecco in unser Sortiment aufnahmen. Aber viel mehr wussten wir über das Weingut, den Agrarbetrieb BORGOLUCE nicht.
Das sollte sich an den folgenden zwei Tagen ändern und was soll ich sagen, unsere Begeisterung wurde überwältigend gesteigert.
Anlaufstelle numero uno war unsere Gästehaus Foresteria am Rande von Susegana in mitten einer Hügellandschaft, die als Weiden genutzt wurden. Gloria, die gute Seele des Pensionsbetriebes begrüßte uns auf´s herzlichste, zeigte uns unser Zimmer, das Haus und erklärte den Frühstücksbetrieb und unsere Anlaufstellen für die kommenden zwei Tage.
Den Abend verbrachten wir in der Osteria von Borgoluce auf den Hügeln hinter der Stadt. Hier machten wir in ganz reizvollem Ambiente erste Bekanntschaft mit der Vielfalt der selbst produzierten Produkte. Als Vorspeise gebackenen Mozzarella di Buffalo, perfekt in seiner Konsitenz. Dazu einen Pinot Grigio Delle Venezie, mit einem feinen Duft von Pfirsich, Apricose und Ananasaromen. Elegant, weich und anhaltend am Gaumen.
Als Zwischengang wurde hausgemachte Tagliatelle gereicht. Dazu ein Glas Giante, ungefilterter traditioneller Prosecco mit zarten fruchtigen Aromen und einer leichten Note von Brotkruste. Zum Hauptgang gab es Filet vom Lamm außen cross und innen butterzart. Der gereichte Capifosso, Cuvée aus Merlot und Cabernet, ein Traum. Weich, elegant, fruchtig und mit feinen Noten von Tabak und Gewürzen des Orient. Satt, glücklich und sehr berührt von der Wärme des offenen Kamin, der Herzlichkeit der Mitarbeiter und des sensationellen Essens, fehlte nur noch ein guter Espresso zum Abschluss, und der ließ Michaels Kaffeeherz höher schlagen, perfekto.
Die Nacht ist für einen Städter sehr beeindruckend, tief schwarz, von einer so ungewohnten Dunkelheit und Stille, die ab und an von Rufen eines Fasans durchbrochen wurden. Selbst Freiwild wurde die Stille fast unheimlich und er kuschelte sich zu uns ins Bett, sicher ist sicher.
Am kommenden Morgen, Freiwild war immernoch so sehr beeindruckt, das er die ganze Zeit seinen Plüschball mitschleppte, erwartete uns ein sensationelles Frühstück, Croissants, frisches Brot, hausgemachter Käse, Salami, Honig, Marmelade und Joghurt aus eigener Herstellung, frisch gepresste Säfte und lecker Kaffee, liebevoll zu einem Buffet zusammengestellt. Besser kann ein Tag nicht beginnen.
Nach dem Frühstück ein kleiner Spaziergang über die Wiesen und Felder und anschließend auf die andere Seite der Stadt in die Localitá Musile zur Besichtigung der Produktion des Prosecco.
Der erste Anfahrtsversuch ging schief, Michael war wieder schneller als das Navi, Ziel kapp verfehlt. Der zweite Anlauf brachte uns geradewegs durch Weinreben gesäumt von einer Baumallee auf den 3 Seiten Gutshof. Rechter und linker Hand 2 stöckige restaurierte Gutsgebäude, in Front eine schlichter 2 stöckiger Bau, an dessen großzügiger Glasfassade der Schriftzug von Borgoluce strahlte. Wetter gut, bedeckt, 22 Grad, zuerst begrüßte uns die Hauskatze und wenig später kam Gloria. Linda war noch in einer Besprechung und so bot sie an, schon mal mit der Führung zu beginnen. Das innere des Hauses, geprägt von schlichtem Sichtbeton und Glas beherbergte glasgefasste Büros, eine Verkostungsbereich, großzügig, offen und mit eigener Küche und einem anschließenden Verkaufsbereich. Alles sehr modern und harmonisch aus Glas, Stahl und Holz.
Fotos machen, Espresso trinken, doch die brennende Frage, wo wird nun Prosecco und Wein produziert, blieb zunächst unbeantwortet.
Gloria erzählte uns über das Anbaugebiet des Glera, Aufteilung, gebietliche Abgrenzungen, Ursprung und Qualitäten des Prosecco.
Die Geschichte des Betriebes war und ist beeindruckend, vor 1000 Jahren begann bereits die Geschichte der italienisch-österreichischen Adelsfamilie Collalto. Der ganzheitliche Ansatz des Gutsbetriebes ist kein neuzeitliches Kind, vielmehr gelebte Tradition über Generationen hinweg.
Die enorme Vielfalt der Produkte, neben dem hervorragenden Prosecco werden auf dem Gut Duroc-Schweine gehalten, um daraus erstklassige Fleisch- und Wurstprodukte zu produzieren. Wasserbüffel und 700 Limousin- bzw. Charolais-Rinder liefern Milch für Käse und Joghurt und natürlich Fleisch von exzellenter Qualität. Dazu kommen Pferde, Schafe, Ziegen, Geflügel und eine Bienenzucht und als jüngstes Kind, ein Biogaskraftwerk, das das Gut und umliegende Gemeinden mit Energie versorgt.
Lodovico Giustiniani, selbst aus einer alten Adelsfamilie stammend, hat in die Collalto- Familie eingeheiratet, kam 1998 auf Borgoluce und führt seither mit seiner Frau Caterina und deren Schwester Ninni das Unternehmen.
Nachhaltig, modern und die Familientradition fortführend.

Nach den vielen Informationen führte uns Gloria auf der Rückseite aus dem Gebäude, eine von oberen Stockwerk überragte Freifläche mit Sitzgelegenheiten, hübsch gepflegten Staudenbeeten und einer hüfthohen Mauer, hinter der man bis zum Horizont Weinreben sah. Hübsch, auf in die Weinberge. Doch je näher wir der Mauer kamen, lies sich hinter ihr ein von ihr gerahmte tiefer tiefer Abgrund erahnen. Und dann plötzlich, pow, Gedankenblitz, das Haus ist ein Eisberg, unter der Spitze verbirgt sich das eigentliche Geheimnis von Borgoluce, 4 Industrieetagen tief in der Erde, die Produktion. Wow, was für ein Anblick. Hinter einer vielleicht 20 Meter hohen Glasfassade unzählige Edelstahltanks , Traubenpresse, Anlieferung, Abholung, Lager, die gesamte Produktion des Prosecco.
Gloria erzählte uns über die großen Herausforderungen bei diesem gigantischen Bauprojekt, nicht nur, das ein Loch von der Größe eines Fussballstadions ausgehoben werden musste, die Geschichte des Landes erschwerte das Projekt zusätzlich. Keine 15 Kilometer von Borgoluce lagen sich Monate lang Österreicher und Italiener in Schützengräben des 1. Weltkriegs gegenüber, rangen um jeden Zentimeter und schossen ihre tödlichen Granaten bis weit ins Hinterland. So waren Blindgänger selbst heute, über 100 Jahre nach dem grausamen und sinnlosen Krieg eine Herausforderung.
Zurück im Gebäude begaben wir uns auf die unteren Ebenen in die Produktion, nur ein kleiner Blick, wir hatten Freiwild dabei und da sind viele Bereiche Tabu. Gloria erklärte uns den Herstellungsprozess, wie aus der Glera Traube und unter Zuhilfenahme des Prozesses der alkoholischen Gärung des alkoholischen Alkohols, Hefen, etc. letztlich die feinen Blubberbläschen entstehen lässt und aus dem Traubensaft Prosecco werden lässt. Zunächst Jahrgangs- und Parzellenrein und später zu extra Dry und Brut Cuvée verschnitten. Ausnahme die Rive di Collalto, die immer Parzellen- und Jahrgangsrein sind.

Der große Unterschied zum Champagner, Prosecco erhält vor der Flaschenfüllung aber keine neuerliche Zuckergabe, keine Dosage.

Zurück in den Verkostungsräumen empfing uns Alessandro, Vertriebschef des Hauses und bot uns eine Verkostung mit Speisebegleitung an. Unsere Wahl fiel auf den Rive di Collalto Brut, den Lampo und den Giante Classico 2018 und 2016.
Den Giante Classico 2018 hatten wir ja schon einen Abend zuvor probieren dürfen. Alessandro schätze die Lagerfähigkeit des Prosecco auf 2-3 Jahre, der Zufallsfund des 2016er hat uns aber alle gleichermaßen begeistert. Durch die Lagerung hat der ungefilterte Prosecco noch mehr an Aromen und Brillanz gewonnen. Er lädt ein, ein wenig mit der Lagerung zu spielen. Je nach Lust und Geschmack, kann man den Giante sehr vorsichtig ins Glas gießen und die Schwebstoffe in der Flasche zurücklassen oder etwas ungestümer agieren und den vollen Genuss des Naturproduktes erleben.
Der Lampo Prosecco Treviso D.O.C. Brut ist ein junger frischer Schaumwein mit einer feinen und lebendigen Perlage, perfekt zu jedem Anlass.
Highlight war natürlich der Rive di Collalto Brut DOCG, trocken und absolut harmonisch. Ein zauberhaftes Bukett von Akazien und Blauregen. Geeignet für jede Mahlzeit, macht einfach Spass.
Leider blieb uns keine Zeit für die Weine von Borgoluce, das soll Thema unseres nächsten Besuches werden.
Noch ein wenig small talk mit Alessandro, was mich als Genussmensch natürlich besonders interessierte, welche landwirtschaftlichen Produkte werden auch nach Deutschland und Österreich exportiert? Die Antwort war ernüchternd wie einleuchtend, keine. Der exzellente Büffelmozzarella und weitere Milchprodukte haben einfach eine zu kurze Genusszeit und Borgoluce möchte dem Kunden ein Spitzenprodukt garantieren. Gleiches gilt für verschiedene Fleischprodukte. So bleibt nur die Reise nach Susegana.
Der verbleibende Tag war für die Erkundung von Stadt, Burg, Hofladen reserviert und sollte seinen Abschluss iin der Frasca von Borgoluce beim Burger essen finden.
Die Burger, ein in Brötchen gebetteter Traum von Fleisch und Käse aus der eigenen Produktion, die Zutaten frisch und knackig , Pommes als Beilage, wie es sich gehört und für uns perfekt, eine Flasche Rive di Collalto Brut. Irgendwie schon ein wenig dekadent.
Die Nacht verlief wie im Fluge, die Ruhe und wenn ich von der Ruhe aufschrak die Dunkelheit, wow, eine Form des Genusses, die zu erleben völlig unerwartet und überwältigend war.
Der Morgen startete viel zu Früh, wir mussten packen, Gassi gehen und durften nochmal das super Frühstück genießen, dann hieß es Abschied nehmen und unserem 2 Ziel, dem Gebiet von Chianti entgegen zu fahren.

Was haben wir von den 2 Tagen Borgoluce mitgenommen? Zwei wesentliche Erkenntnisse, Tradition, Familie, Moderne und der Blick in die Zukunft, Verantwortung, Liebe zu seinen Produkten und das Streben nach Spitzenqualität, Ökologie und Ökonomie verschmolzen in der Eigentümerfamilie wie auch im Landwirtschaftsbetrieb so sehr, das Borgoluce eine Marke ist, die es schafft den großen Bogen zwischen 1000 jähriger Familiengeschichte, dem heute und der Verantwortung für die Zukunft der nächsten Generationen zu spinnen. Dies völlig unspektakulär durch fleißige Hände Arbeit, spektakulär durch Bauwerke, die tief beeindrucken und vor allem durch die Mensch bei Borgoluce, die immer freundlich, herzlich und fleißig sind.
Und die zweite Erkenntnis, egal wie unsere Welt zusammenwächst, die Produkte die wir euch mitbringen und anbieten, können immer nur ein Botschafter sein, der euch einlädt die Weine, Spirituosen und anderen Köstlichkeiten und vor allem die Menschen an ihrem Ursprung zu entdecken.
Danke Gloria, Linda, Alessandro und die vielen fleißigen Menschen im Hintergrund für die schöne Zeit und danke das es euch gibt.